Lehrstuhl-Projekt: PAKMA/VisEdit

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    Thomas Wilhelm

Der Name „PAKMA“ steht für eine ganze Entwicklungsreihe eines Softwareprogrammes. Bereits in den 80er Jahren gab es ein Messwerterfassungssystem mit dem Namen „PAKMA“ für den Homecomputer Commodore C64. Ende der 80er Jahre wurde eine Version für den „Amiga“-Computer erstellt. Die erste Implementation unter Windows 3.x wurde von 1991 bis 1993 durchgeführt. Dieses Windows-PAKMA wurde seitdem permanent weiterentwickelt, schrittweise um verschiedene Animationselemente ergänzt und die Bedienoberfläche an die Entwicklung von Windows angepasst. Die schnelle Entwicklung der Computer-Hardware sowie der Betriebssysteme machte eine Neuprogrammierung von PAKMA notwendig. In gewissem Sinn erfolgte diese durch die Erstellung des betriebssystemunabhängigen Java-Programm JPAKMA, das aber weiter optimiert werden sollte. Thomas Wilhelm kümmerte sich u.a. um die Weiterentwicklung des Windows-PAKMA.

Mit PAKMA können sowohl eine Realmessung als auch eine reine Simulation erstellt werden. Animationen und dynamisch ikonische Repräsentationen können sich entsprechend jeder gemessenen oder berechneten Größe bewegen. Dynamisch ikonische Repräsentationen sind bildhafte Darstellungen physikalischer Größen, die sich entsprechend der Größe dynamisch verändern. Dazu gehören Säulen und Flächen, deren Flächeninhalt den Betrag einer physikalischen Größe repräsentiert, oder Balken, Pfeile und Linien, deren Länge oder Breite den Betrag einer Größe darstellt und deren Richtung die Richtung der Größe darstellt. Neben Graphen, Animationen und dynamisch ikonische Repräsentationen können in PAKMA zusätzlich Bilder und Videos des Versuchsablaufs gezeigt werden.

1999 wurde zu PAKMA das Zusatzmodul „VisEdit“ erstellt. Hier werden mit einem graphischen Editor Symbole gesetzt, die für eine Messung einer bestimmten Größe oder für eine Berechnung einer Größe aus anderen Größen stehen. VisEdit kann dann aus diesen Angaben das Programm für PAKMA erstellen. Damit kann sowohl eine Realmessung in PAKMA programmiert werden als auch eine reine Berechnung, also Simulation, erstellt werden. Die graphische Erstellung einer Simulation nennt man eine graphische Modellbildung. VisEdit ist also ein Modul, das nicht nur zur graphischen Modellbildung, sondern auch zum Programmieren von Messungen und Simulationen verwendet werden kann.

Dem Softwaresystem PAKMA liegt damit eine Philosophie zugrunde, die sich deutlich von fast aller anderer Physik-Software für den Schuleinsatz unterscheidet, die in der Regel für spezielle Aufgabenbereiche erstellt wurden (z.B. Messwerterfassungssysteme, graphische Modellbildungssysteme, Simulationssoftware). In PAKMA mit dem Zusatzmodul VisEdit sind nicht nur alle diese Funktionen möglich, sondern sie können auch gleichzeitig genutzt werden. Durch die Offenheit der Software gibt es für den Benutzer kaum Grenzen. Dadurch, dass der konkrete Ablauf mit einem erweiterten Pascal programmiert werden kann, gibt es für denjenigen, der programmieren kann, sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichsten Simulationen. Auch die Animationen und dynamisch ikonischen Repräsentationen bieten sehr viele Darstellungsmöglichkeiten. Aber dadurch, dass man viel auswählen und einstellen kann, muss man z.T. auch viel einstellen. Durch seine Mächtigkeit ist es für viele Nutzer, Lehrer wie Schüler, nicht leicht, sich darin einzuarbeiten. Anderseits ist es damit ein geeignetes Werkzeug für physikdidaktische Forschung, da damit im Unterricht nicht nur verschiedene Darstellungen, sondern auch sehr viele unterschiedliche Vorgehensweisen ausprobiert werden können.

Eine ähnliche Philosophie hat die Software „Coach 5“, die vom AMSTEL Institut der Universität Amsterdam entwickelt wurde und ebenso recht vielseitig nutzbar ist. Mit Coach 5 ist neben einer Messwerterfassung und der Steuerung von Geräten, auch eine vorbildliche Videoanalyse und eine einfache Modellbildung möglich. Darüber hinaus können in einer Autoren-Umgebung Multimediaaktivitäten, Lehrmaterialien und Anleitungen erstellt werden, wobei Texte, Bilder und Videos eingefügt werden können. Mit Coach 5 ist es aber nicht möglich, selbst Animationen zu erstellen oder dynamisch ikonische Repräsentationen wie Vektorpfeile einzusetzen.

PAKMA kann man auf drei unterschiedlichen Nutzungsniveaus einsetzen. Als „Anwender“ kann man fertige Simulationen (wobei man Startwerte und Parameter verändern kann) oder aufgezeichnete Realmessungen in Reproduktion ablaufen lassen. Dazu erschienen im Schroedel-Verlag bereits mehrere CDs zu den bekannten Schulbüchern „Dorn-Bader Physik“ für die Jahrgangsstufen 11 bis 13 (z.B. die CD „PAKMA 2002“ mit ca. 240 PAKMA-„Projekten“). Zu diesen „Projekten“ wurden ausführlich html-gesteuerte Anleitungen für Lehrer (mit Arbeitsaufträgen, die sie den Schülern stellen können) erstellt (auch im Format Word und pdf vorhanden). Außerdem wurde dafür eine vereinfachte Steuerung des Programmablaufs in PAKMA implementiert, die im Wesentlichen mit einer Schaltfläche auskommt. Als „Entwickler“ kann man dagegen selbst neue Simulationen erstellen und selbst neue Messungen konzipieren. Benutzt man PAKMA als Messwerterfassungssystem, was ursprünglich die Hauptintension war, hat man mehr Möglichkeiten bzgl. der Verarbeitung und Darstellung der Messergebnisse als mit anderen Programmen. D.h. man muss auch mehr Entscheidungen treffen, so dass man zwangsläufig auch mehr Probleme haben kann. Das Erstellen von Simulationen und Animationen ist leichter als etwa beim Erstellen eines Java-Applets. Dafür kann der Anwender eines Applets dieses als eigenständiges Programm laufen lassen, das meist mit wenigen Schaltflächen intuitiv bedienbar ist, während der PAKMA-Anwender zumindest eine vereinfachte Runtime-Version von PAKMA braucht. Schließlich kann man als „kundiger Anwender“ auch selbst fertige Simulationen und Messprogramme nach seinen Wünschen abändern. Eine für Lehrer empfehlenswerte Variante ist z.B., eine vorgefertigte Ausgabe (Animationen, dynamisch ikonische Repräsentationen und Graphen) unverändert zu übernehmen, aber die Berechnung der Simulation über das Modellbildungswerkzeug VisEdit mit den Schülern neu zu erstellen bzw. später nach den Wünschen der Schüler zu verändern.

Wichtig für den Einsatz von PAKMA ist das Ebenenkonzept. Damit ist gemeint, dass in einem Ausgabefenster zwar verschiedenste Ausgabeformen (verschiedene Graphen, verschieden dynamisch ikonische Repräsentationen) vorhanden sind, diese aber mehreren Ebenen zugeordnet sind, von denen eine und damit eine bestimmte Konstellation der Ausgabeformen angezeigt wird. Der Anwender, in der Regel der Lehrer, wählt nun jeweils die Ebene und damit die Darstellungsformen aus, die gerade angemessen sind. Damit ist es einerseits möglich, einen „cognitive overload“ durch zu viele Darstellungen zu vermeiden, und anderseits, schnell (auch während des Ablaufes) eine andere Darstellungsform hinzuzuschalten. Es kann also schrittweise von anschaulichen zu abstrakteren Darstellungen umgeschaltet werden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Windows-Software PAKMA (und das betriebssystemunabhängige Java-Programm JPAKMA) multicodal ist, denn wie dargestellt werden mehrere Kodierungsformen (Bilder, Animationen, dynamisch ikonische Repräsentationen, Graphen und mit VisEdit graphische Wirkungsgefüge) zur Informationsvermittlung genutzt, auch wenn in der Regel kein Text oder Ton benutzt wird. PAKMA ist jedoch nicht multimodal, denn in der Regel wird durch die Software nur das visuelle Sinnesorgan angesprochen, evtl. höchstens noch in Schülerübungen mit der PC-Maus der Tastsinn. Der auditive Bereich ist völlig dem Lehrer überlassen, denn die Software PAKMA ist ein Werkzeug für den Lehrer (mit Einschränkung evtl. für den Schüler). Eine Interaktivität ist dadurch gegeben, dass der Ablauf (bei Simulationen und bei Reproduktionen von Originalmessungen) angehalten oder in einzelnen Schritten gezeigt werden kann oder bei Simulationen einzelne Parameter über Schieber verändert werden können. Eine weitergehende Interaktivität ist die Modellbildung - insofern, dass der Anwender hier selbst über das Rechenprogramm entscheidet, dass den Ablauf der Simulation steuert. Das Softwarewerkzeug PAKMA ist aber nicht als interaktive Lernumgebung konzipiert, in der der Schüler allein, individuell, selbstgesteuert und aktiv (etwa über Hyperlinks) Erfahrungen macht und lernt. Natürlich ist es allerdings heute mittels html möglich eine interaktive Lernumgebung zu erstellen, bei der aus dem verlinkten Lehrtext heraus PAKMA wie jede andere Software gestartet wird und dort die gestellten Lernaufgaben bearbeitet werden.

  

| Prof. Dr. Thomas Wilhelm, Institut für Didaktik der Physik, Universität Frankfurt, Max-von-Laue-Str. 1, 60438 Frankfurt am Main |
| vorher: Didaktik der Physik, Universität Augsburg |
| ehemals: Lehrstuhl für Physik und ihre Didaktik, Universität Würzburg ||